3. DIE GEHMEDITATION - Kinhin



Die Gehmeditation - Kinhin

Die Gehmeditation ist eine Meditation, die in Bewegung stattfindet. Sie kann uns gerade in Momenten helfen, in denen wir uns gestresst und emotional aufgewühlt fühlen. In solchen Momenten kann es uns schwer fallen, ruhig zu sitzen. Außerdem spüren viele Menschen das Gefühl an den Fußsohlen, auf das bei der Gehmeditation geachtet wird, intensiver, als das Gefühl des Luftstroms in der Nase. Das kann dazu beitragen, dass der Geist vom inneren Erleben weg, auf das äußere Tun gerichtet wird. 

Natürlich können Sie die Gehmeditation auch ausführen, wenn sie sich ruhig fühlen. Sie ist ebenso wie die Sitzmeditation eine klassische Zen-Meditation.

Bei der Gehmeditation richten Sie die Aufmerksamkeit auf Ihren Atem (wie bei der Sitzmeditation) und auf die Fußsohle des einen Fußes, der gerade den aktuellen Schritt durchführt. Sie bringen also Ihren Atem mit Ihren Schritten in Einklang.

Man unterscheidet die langsame Gehmeditation von der schnellen Gehmeditation.


Anleitung langsame Gehmeditation

Übung: Im Folgenden jeden Schritt einmal kurz üben:

Stellen Sie sich gerade hin, im Prinzip so, wie Sie bei der Sitzmeditation gerade und aufrecht sitzen. Spüren Sie Ihren aufrechten Stand und den Boden unter Ihren Füßen. 

Die Füße stehen in einem kleinen Abstand nebeneinander. Die Fußspitzen sind nach vorn gerichtet.

Die Schultern sind leicht nach hinten genommen, die Arme hängen locker seitlich des Körpers herab. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, die Arme zu positionieren, beispielsweise die linke Hand zu einer Faust formen, diese mit der rechten Hand umschließen und die Hände auf diese Weise vor dem Sternum, also der Mitte des Brustkorbs, aufliegen lassen.

Die Augen bleiben bei der Gehmeditation geöffnet, damit Sie sehen, wo Sie hingehen und weil der Gleichgewichtssinn bei geöffneten Augen deutlich besser ist. Der Blick ist etwa zwei oder drei Meter vor Ihnen auf den Boden gerichtet, ohne etwas Besonderes zu fixieren oder zu beobachten.

Bei der langsamen Gehmeditation bewegen Sie sich mit kleinen Schritten vorwärts. Eine Schrittlänge entspricht etwa einer halben bis ganzen Fußlänge. Sind die Schritte zu groß, hebt sich der hintere Fuß vom Boden ab, noch bevor der vordere vollständig den Boden berührt. Der hintere Fuß beginnt dann quasi mit dem Gehen, noch bevor er an der Reihe ist. 

Pro Atemzug machen Sie genau einen Schritt, wobei Sie beim Einatmen den Fuß anheben und beim Ausatmen aufsetzen. Die Geschwindigkeit Ihrer Schritte richtet sich also nach der Geschwindigkeit Ihrer Atemzüge - nicht umgekehrt. 

Im Detail sieht das so aus: 

Während Sie einatmen, rollen Sie den entsprechenden Fuß langsam von der Ferse an hoch, bis nur noch die Zehen und der vordere Teil der Fußballen Kontakt zum Boden haben. Dabei spüren Sie Ihrem Atem in der Nase nach und gleichzeitig dem Gefühl, das entsteht, wenn sich der Fuß vom Boden löst bzw. dem Gefühl an Zehen und Fußballen, die ja am Boden bleiben. 

Ich empfehle, beim Aufrollen des Fußes mit Zehen und Fußballen den Kontakt zum Boden beizubehalten, um das Gleichgewicht besser halten zu können. Wenn Sie den Fuß auf diese langsame Weise vollständig anheben, könnten Sie aus dem Gleichgewicht geraten.

Wenn der Impuls zum Ausatmen kommt, machen Sie einen kleinen Schritt, setzten mit der Ferse auf und rollen während des Ausatemvorgangs den Fuß langsam auf dem Boden ab, bis er samt Zehen vollständig und fest auf dem Boden steht. Dabei spüren Sie wieder Ihrem Atem in der Nase nach und gleichzeitig dem Gefühl, das entsteht, wenn die Fußsohle auf dem Boden abgerollt wird. 

Danach kommt der Impuls zum nächsten Einatmen und Sie vollführen mit dem anderen Fuß einen ebensolchen Schritt.

Sollte es Ihnen schwer fallen, gleichzeitig auf das Gefühl des Luftstroms in der Nase und dem Gefühl an der Fußsohle zu achten, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nur auf das Gefühl an der Fußsohle. Bei Ihrem Atem sind Sie ja ohnehin, weil Sie im Rhythmus Ihres Atems gehen.

Es ist bei der Gehmeditation vollkommen unwichtig, wie weit die Strecke ist, die Sie zurücklegen oder wie viele Schritte Sie schaffen. Sie müssen nicht irgendwo ankommen. Vielmehr kommt es darauf an, bei jedem einzelnen Schritt anzukommen und auf diese Weise durch das achtsame Gehen im Hier und Jetzt tätig zu sein. Es geht um das bewusste Erleben jedes einzelnen Schrittes im gegenwärtigen Moment.

Wenn Sie möchten und es Ihnen in ihrer Konzentration hilft, können Sie bei der langsamen Gehmeditation gerne die Technik des Atemzählens anwenden oder ein Mantra benutzen, wie es im Kapitel "Die Sitzmeditation" beschrieben ist.

Bevor Sie losgehen, können Sie gerne erst einmal für einen Atemzug oder auch für mehrere Atemzüge in der Ausgangsposition stehen und achtsam Ihrem Atem, Ihrem Körpergefühl und dem Kontakt Ihrer Füße mit dem Boden nachspüren.

Sie können im Kreis gehen, wenn Sie genug Platz dafür haben, Sie können die Strecke aber auch geradeaus gehen.


Anleitung schnelle Gehmeditation

Übung: Im Folgenden jeden Schritt einmal kurz üben:

Die Ausgangskörperhaltung ist wie bei der langsamen Gehmeditation. Sie können Ihren Blick vor sich auf Ihren Weg richten oder auf die Umgebung und diese achtsam wahrnehmen.

Bei der schnellen Gehmeditation machen Sie während eines Atemzuges mehrere Schritte und nicht, wie bei der langsamen Gehmeditation, pro Atemzug nur einen Schritt.

Atmen Sie ganz natürlich durch die Nase ein und aus und gehen dabei in einem normalen, Ihnen angenehmen Schritttempo vorwärts. Machen Sie dabei ganz normale Schritte in Ihrer alltagsüblichen Schrittlänge. Gehen Sie anfangs nicht zu schnell, ein langsameres Gehtempo erleichtert die Achtsamkeit.

Richten Sie während des Gehens Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem - wenn Sie können, auf den Luftstrom in Ihrer Nase - und auf das Gefühl, das bei Bodenkontakt an Ihren Fußsohlen entsteht. 

Dadurch erleben Sie Atmen und Gehen miteinander im Einklang und fördern Ihre Fähigkeit zu Konzentration und Achtsamkeit. Sie sind mit Ihrem Geist bei Ihrem Tun, nämlich dem Gehen, und weniger bei irgendwelchen unproduktiven Grübeleien.

Wenn Sie möchten, können Sie die Atemzähltechnik anwenden. Zählen Sie dazu während jedes Einatmens und jedes Ausatmens die Schritte im Geiste mit. Wenn Sie zum Beispiel 5 Schritte beim Einatmen machen, zählen Sie diese von 1 bis 5 im Geiste mit. Wenn Sie dann beim Ausatmen 7 Schritte machen, zählen Sie diese von 1 - 7 im Geiste mit. Die genannte Anzahl der Schritte ist nur ein willkürlich gewähltes Beispiel. Probieren Sie einfach aus, welche Schrittfolge sich für Sie natürlich und gut anfühlt.

Sie können es auch mit einem Mantra versuchen, wenn Ihnen das lieber ist. Denken Sie beispielsweise beim Einatmen "ganz" und beim Ausatmen "ruhig". Dehnen Sie dabei die Worte so lange aus, wie der Atemzug dauert, also beim Einatmen "gaaaaanz" und beim Ausatmen "ruuuuuhig" und machen Sie dabei jeweils so viele Schritte, wie es Ihrem Gehrhythmus entspricht. Achten Sie dabei auf Ihren Atem, den Atemstrom in Ihren Nasenlöchern (wenn Sie können), das Gefühl an Ihren Fußsohlen und auf das Mantra. Mehr über Meditation mit Mantras erfahren Sie im Kapitel "Die Sitzmeditation".

Gehen Sie im Kreis, wenn Sie genug Platz dazu haben, oder gehen Sie geradeaus, wenn Sie eine ausreichend lange Strecke vor sich haben, zum Beispiel im Freien.

Übung: Üben Sie einmal für fünf Minuten die hier vorgestellte langsame Gehmeditation und, wenn Sie mögen und genug Platz dafür haben, die schnelle Gehmeditation. Sollte Ihnen das zu lang erscheinen, reichen für den Anfang auch jeweils drei Minuten. Ist Ihnen auch das zu lang, versuchen Sie es zunächst mit drei bis zehn Atemzügen bzw. Schritten. Am besten, Sie stellen sich für die Zeit, die Sie sich vorgenommen haben eine digitale (nicht tickende) Eieruhr oder den Timer auf Ihrem Smartphone, dann müssen Sie nicht zwischendurch auf der Uhr nachschauen, ob die Zeit schon vorüber ist.



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Einfach gehen

Es war einmal ein junger Mönch namens Hoshi, der in einem abgelegenen Zen-Kloster hoch in den Bergen lebte. Täglich praktizierte er Meditation und versuchte, die Lehren seines Meisters zu verstehen. Trotz seiner Bemühungen fiel es Hoshi schwer, seinen Geist zu beruhigen. Gedanken und Sorgen wirbelten ständig in seinem Kopf umher.

Eines Morgens, als die Sonne ihre ersten Strahlen über die Berge warf, trat Meister Ryo in den Meditationsraum und fand Hoshi in tiefem Unbehagen. Der Meister beobachtete den jungen Mönch einen Moment lang und sagte dann sanft: "Hoshi, heute wirst du nicht sitzen und meditieren. Heute wirst du Gehmeditation üben."

Hoshi war überrascht, denn er hatte gehofft, durch intensives Sitzen Erleuchtung zu finden. Dennoch folgte er den Anweisungen seines Meisters und begab sich in den Klostergarten, wo die Kirschbäume in voller Blüte standen. Meister Ryo stellte sich neben ihn und begann, langsam und bewusst zu gehen. Jeder Schritt war ruhig und bedacht, als ob er die Erde unter seinen Füßen segnete.

Zunächst fand Hoshi den langsamen Gang merkwürdig und unnatürlich. Seine Gedanken schweiften weiterhin ab, doch Meister Ryo erinnerte ihn immer wieder: "Atme ein, weißt du, dass du gehst. Atme aus, weißt du, dass du gehst." Mit der Zeit begann Hoshi, seinen Atem mit seinen Schritten zu synchronisieren. Er spürte die kühle Morgenluft auf seiner Haut, hörte das Zwitschern der Vögel und das Rascheln der Blätter im Wind.

Nach und nach begann sich Hoshis Geist zu beruhigen. Mit jedem Schritt ließ er einen Gedanken los. Mit jedem Atemzug fühlte er sich mehr im Hier und Jetzt verankert. Er erkannte, dass Gehmeditation nicht nur ein körperlicher Akt war, sondern ein Weg, sich mit der Gegenwart zu verbinden und inneren Frieden zu finden.

Als die Sonne hoch am Himmel stand, hielt Meister Ryo an und drehte sich zu Hoshi um. "Was hast du gelernt, junger Mönch?" fragte er.

Hoshi verbeugte sich tief. "Meister, ich habe gelernt, dass jeder Schritt ein Gebet sein kann, wenn man ihn bewusst setzt. In der Einfachheit des Gehens habe ich die Stille gefunden, die ich beim Sitzen suchte."

Meister Ryo lächelte und legte eine Hand auf Hoshis Schulter. "Den Weg des Zen kann man in jedem Moment finden, ob man sitzt oder geht. Es geht nicht um die Haltung des Körpers, sondern um die Haltung des Geistes. Geh weiter, Hoshi, und finde Frieden in jedem Schritt."

Von diesem Tag an wurde Gehmeditation ein fester Bestandteil von Hoshis Praxis. Er lernte, dass der Weg zur Erleuchtung nicht immer geradlinig ist, sondern in den einfachen, achtsamen Momenten des Lebens gefunden werden kann.




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